Die heute
hier zu eröffnende Ausstellung ist der Person und dem Werk
zwe1er Kunstschaffender gewidmet, die einander vor vielen Jahren
als Studierende an der Wiener Akademie der Bildenden Künste
kennengelernt haben, und zwar in der von Herbert Boeckl
geleiteten Meisterklasse. Geprägt war ihre künstlerische
Ausbildung vorher durch Professor Rudolf Szyszkowitz an der
Grazer Ortweinschule, dort allerdings nicht zeitgleich. Die Rede
ist heute, wie wir alle wissen, von Frau Hofrätin Magistra
Herlinde Almer und vom verstorbenen Künstler Professor Franz
Weiß, der im hohen Alter von 93 Jahren in Gottes Ewigkeit
gerufen worden ist.
Ich
spreche hier zuerst von Professor Franz Weiß, dessen Werk zu
einem großen Teil in Auseinandersetzung mit
christlich-religiösen Themen entstanden und in vielen sakralen
und anderen Häusern der katholischen Kirche geborgen ist: so
auch in meinem bischöflichen Haus. Im Sitzungssaal des
Bischöflichen Konsistoriums befindet sich ein Holzschnitt mit
dem Thema: "Maria als Knotenlöserin". In den Sitzungen des
Konsistoriums begegnen wir ja vielen Problemknoten und
versuchen, sie durch Gebet, Gespräch und Denkarbeit aufzulösen.
Und im Empfangsbereich des Bischofshauses befinden sich drei
mich besonders erfreuende Aquarelle mit Darstellungen von
Blumen. Im Bischöflichen Sekretariat ist schließlich ein
Holzschnitt von Franz Weiß zu sehen, den der verstorbene Meister
auf Ersuchen des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner für das
Weltjugendtreffen in Köln geschaffen hat. Er zeigt vor der
Silhouette des Kölner Domes die dort verehrten Heiligen Drei
Könige in Anbetung vor dem Christuskind. Kardinal Joachim
Meisner hat nach dem Kölner Weltjugendtag gemeinsam mit mir den
Meister Franz Weiß in seinem Haus im Tregisttal bei Voitsberg
besucht und wir haben miteinander in und vor der Kapelle
unterhalb dieses Hauses gebetet und ergriffen die Bilder
betrachtet. Das Werk von Franz Weiß ist ein bleibender
künstlerischer und spiritueller Schatz in unserem Land und
darüber hinaus. Der Meister ist auf eindrucksvolle Weise einen
unverwechselbar eigenen künstlerischen Weg gegangen, abseits vom
Wechsel zeitgleicher künstlerischer Strömungen, und er hat
Qualitätsvolles geschaffen, das bleibt.
Heute
begegnen wir hier einer Auswahl aus dem überaus umfangreichen
Werk dieses weststeirischen Künstlers. Wir begegnen heute hier
aber ebenso einer Auswahl aus dem Werk von Frau Hofrat Mag.
Herlinde Almer. Beide Kunstschaffenden hatten vor langer Zeit,
so wurde mir gesagt, die freilich vage gebliebene Idee, eine
gemeinsame Ausstellung zu veranstalten. Diese Idee ist nun hier
in Voitsberg realisiert worden.
Während
Franz Weiß nun in Gottes Ewigkeit aufgehoben ist, von der wir
einerseits als ewige Ruhe und andererseits als ewiges Leben
sprechen, ist Frau Herlinde Almer eine quicklebendige, in
jeder Hinsicht jung gebliebene Künstlerin. Vielleicht ist sie
auch deshalb so jung geblieben, weil sie als Kunsterzieherin in
den Gymnasien von Leibnitz, Weiz und Birkfeld und als Direktorin
der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik in Hartberg vor
allem mit jungen Menschen zu tun hatte. Gute Lehrerinnen und
Lehrer sind immer auch mäeutisch begabt. Sie sind also
ausgerüstet mit der pädagogischen Hebammenkunst des Sokrates,
die der Entfaltung der Fähigkeiten ihnen anvertrauter Menschen -
meist junger Menschen - dient. Die Hebammenkunst von Frau Hofrat
Almer war besonders, wenn auch nicht nur, den künstlerischen
Fähigkeiten junger Menschen zugewendet. Sie war dabei inspiriert
von Lehrmeistern wie Szyszkowitz, Dombrowski und Boeckl. Als
begabte Schülerin solcher Meister ist sie aber von diesen
Vorbildern weg in Freiheit ihren eigenen Weg weitergegangen.
"Die
Sprache ist nicht auf alles eingerichtet", hat Goethe im Alter
gesagt, obwohl er selbst so überaus sprachmächtig gewesen ist.
Die Grenze der Sprache als Gefüge von Worten ist besonders dann
bald erreicht, wenn sie sich mit Werken der bildenden Kunst oder
der Musik auseinandersetzen soll. Bildende Kunst und Musik haben
ja je schon ihre eigene Sprache und bedürfen nicht von vorne
herein einer ergänzenden oder vertiefenden Interpretation durch
Sprache als Gefüge aus Wörtern und Sätzen. Unter diesem
Vorbehalt steht auch jede literarische Annäherung an Werke der
Malerei. Das gilt schon gar, wenn es sich dabei nicht um
gegenständliche, sondern um mehr oder weniger abstrakte Kunst
handelt. Insofern kommt man bei der sprachlichen Deutung mancher
Bilder von Frau Hofrat Almer viel früher an eine Grenze als bei
der Deutung des Werkes von Franz Weiß. Ich versuche hier nicht,
das zu tun, was sprachkundige Experten für Kunst der Gegenwart
mit Worten tun. Ich verweise vielmehr auf ein Wort der jüdischen
Mystikerin Simone Weil, die gesagt hat: "Es gibt nur eine
Methode um Bilder zu verstehen - nicht versuchen sie zu
interpretieren, sondern so lange anschauen, bis das Licht
hervorbricht."
Auch in
Bildern von Herlinde Almer ist viel Licht. Dieses Licht ist in
den Jahren und Jahrzehnten des künstlerischen Schaffens dieser
Frau schon sehr vielen Menschen aufgegangen und wird anderen
in Zukunft aufgehen. Dies gilt auch bezogen auf die heute hier
präsentierten Bilder dieser Pädagogin und Künstlerin, die in der
Wort- und Bildwelt der Bibel tief verwurzelt ist. Ich schließe
mit einem darauf beziehbaren Wort von Friedrich Hölderlin. Es
lautet: "Und die Lieb' heftet fleißig die Augen (an)" und steht
am Schluss der Hymne "Andenken". "Und die Lieb' heftet fleißig
die Augen (an)". Tun wir das, meine Damen und Herren, auch am
heutigen Abend und immer wieder.
Ich danke
Ihnen.